Als ich im August dieses Jahres Gonghong Huang in Beijing besuchte, fragte er mich, ob ich einen Text über seine Malerei schreiben könnte. Ich möchte, dass ein Maler über meine Arbeiten schreibt, sagte er zu mir. Ich habe zugesagt.
In der gegenwärtigen Kunstszene in China unterscheidet man zwischen figurativer und abstrakter Malerei. Gonghong Huang gilt dort als ein abstrakter Maler. Wenn man in der Vorstellungswelt der Kunstgeschichte gefangen bleibt, akzeptiert man eine solche Unterscheidung vielleicht. Wenn man aber selber malt, ein Werkzeug in die Hand nimmt und Farben auf Flächen anbringt, stellt man nichts Abstraktes in diesem Vorgehen fest. Die Malerei ist nie abstrakt. Der Maler unterscheidet zwischen guter und schlechter Malerei, zwischen Kunst und Nicht-Kunst.
Gonghong Huang ist kein abstrakter Maler, Gonghong Huang ist ein Maler. Am Anfang liegt der weisse Bildträger oft auf dem Boden, Gonghong kommt von einer Seite, trägt Farben auf seiner Fläche schnell auf, dann kommt er von der anderen Seite und macht dasselbe. Gonghong malt schnell. Nach einer Weile hängt er das Gemälde an die Wand und dreht es so lange, bis er mit Oben, Unten, Links und Rechts zufrieden ist. Dann malt er weiter, dieses Mal aber viel langsamer. Gonghong interessiert sich beim Malen weniger für die Farbe, den Rhythmus, die Hell-Dunkel und Warm-Kalt Kontraste. Er interessiert sich für den Raum. Mit ‘Raum’ meine ich keinen Farbraum, sondern den ‚Was-geht-nach-vorne und was-geht-nach-hinten’-Raum. Gonghong malt so lange auf einer Fläche bis er mit dem ‚räumlichen’ Gleichgewicht zufrieden ist. Ich meine nicht, dass seine Werke immer eine ruhige Balance ausstrahlen, es handelt sich eher um eine Kombination von Abbruch und Aufbau. Wenn es auf der Fläche zu langweilig wird, macht Gonghong etwas Freches und Befremdendes; wenn er zu weit geht, sucht er nach ‚Beruhigungsmitteln’. Manchmal zeigt Gonghong Huang mir seine Malerei im Atelier, wir sprechen über die Arbeiten, kritisieren sie, er bleibt einen Moment still, überlegt und dann bessert er bestimmte Stellen sofort nach.
In Beijing habe ich Tischtennis gespielt und konnte viele Spiele anschauen. Die Sorgfalt, mit der die Spieler ihre Schläger, Bälle und Schuhe vor dem Spiel aussuchen, erinnerte mich an die Exaktheit, mit der Maler ihre Werkzeuge, Bildträger und Farben auswählen. Dann geht es los, es wird gespielt, es wird gemalt. Manchmal ist man Sieger, manchmal Verlierer, manchmal erreicht man ein Unentschieden. Viele fragen mich, was stellt Gonghong Huang eigentlich dar? Gar nichts. Die Malerei stellt nichts dar. Genauso wie ein Tennisspieler nichts darstellt, stellt auch Gonghong nichts dar. Der Tennisspieler spielt und will seinen Gegner schlagen, Gonghong Huang malt und will die Fläche besiegen.
München, September 2012
Besonderen Dank für die Hilfe bei der Realisierung dieses Textes an Prof. Bernhard Lypp