Elemente in der Chemie bezeichnen einfache Stoffe, aus denen gemischte Stoffe zusammengesetzt sind. Das chemische Element sollte helfen, die vielfältigen Eigenschaften und die Reaktionen von Stoffen wissenschaftlich zu erklären. Unter chemischen Elementen versteht man primäre Stoffe, die weder aus anderen Substanzen zusammengesetzt noch aus diesen entstanden sind, sondern die Bestandteile bilden, aus denen gemischte Stoffe bestehen.
Der Begriff chemisches Element brachte mich auf die Frage, ob es in der Malerei so etwas wie ein malerisches Element geben könnte?
Wenn man ein Gemälde als Zusammensetzung gemischter Stoffe und deren Reaktionen aufeinander betrachtet, dann entsteht die Frage nach den Grundbestandteilen der Malerei.
Ich unterscheide 8 Elemente der Malerei: Farbe, Fläche, Bewegung, Zeit, Raum, Licht, Materie und schließlich den Maler (Ursache, Medium, Subjekt).
Dabei sind Raum und Licht Elemente der Umgebung, in der ein Gemälde entsteht; Farbe, Fläche, Bewegung, Zeit, Materie und Maler sind Elemente sowohl einer Umgebung, als auch eines Gemäldes. Dadurch entstehen 2 Kategorien in welche sich die 8 Elemente der Malerei unterteilen lassen:
I. Elemente der Umgebung: Licht und Raum
II. Elemente eines Gemäldes und der Umgebung: Farbe, Fläche, Bewegung, Zeit, Materie und Maler
D a s . L i c h t
u n d
d e r . R a u m
Licht ist ein sichtbarer Teil der elektromagnetischen Strahlung. Als Element der Umgebung beeinflusst das Licht unmittelbar sowohl die Oberfläche als auch den Farbstoff. Der Farbeindruck des Lichts, das von einer selbstleuchtenden Lichtquelle ausgeht, ist seine Farbe. Trifft die Farbe des Lichtes auf die Oberfläche des Gemäldeträgers oder auf den Farbstoff, so findet im Auge und Gehirn des Betrachters eine additive Farbmischung statt. Werden die Farbeindrücke von Licht zu maximaler Helligkeit addiert, entsteht die Farbempfindung Weiß; reduziert man die Helligkeit auf Null, ist die Farbempfindung Schwarz. Ohne Licht würde es keine Malerei geben. Bei Bedarf kann man das Licht ausschalten, wie es zum Beispiel während des Malens Cy Twombly gelegentlich gemacht hat.
Im Gegensatz zum Licht verhält es sich mit dem Raum nicht so einfach. Der Raum ist für die Malerei nur dann von Belang, wenn er als Element der Umgebung oder sogar als ein Behälter für das Gemälde fungiert. Durch den Raum wird die Größe des Gemäldeträgers beeinflusst und der Abstand zwischen dem Maler und dem Gemälde fixiert.

D i e . F a r b e
In der Malerei gibt es zwei Ursprünge für den Einsatz der Farbe: Farbraum und Farbstoff.
Unter Farbraum versteht man die Darstellung eines Farbmodells; er kann durch eine farbgebende Methode verwirklicht werden. In der Regel besteht ein Farbraum aus drei oder mehreren Primär- bzw. Grundfarben, die durch Mischung unterschiedliche Farbtöne innerhalb dieses Raumes erzeugen. Solche Farbräume verschaffen einen klaren Umgang mit dem Farbton, in dem ein Farbsystem die Kontrolle über die Vielfalt des Spektrums übernimmt. Allerdings bezeichnen die Farbsysteme nur die theoretischen Grundprinzipien einer Farbmischung und nie die technische Umsetzung des farbigen Grundstoffes. Verwendet ein Maler ein Farbsystem, das auf dem Mischen von Grundfarben basiert, entsteht die Materie der Farbe durch die Verfahrensweise, die der Maler selbst bestimmt. In diesem Fall ist die Erscheinung einer Farbe auf der Fläche unabhängig von ihrem Grundstoff. (1)

Unter Farbstoff versteht man eine Materie, die die Eigenschaften hat, andere Materialien zu färben. Die Farbeigenschaften von Farbstoffen sind abhängig von der Bindung mit Bezug auf das jeweilige Medium. Art und Weise der Bindung des Farbstoffs werden von den Materialien mitbestimmt. Im Gegensatz zum Farbraum behält der Farbstoff unabhängig von seiner Erscheinungsform den Grundstoff auf der gemalten Fläche fest. Die Eigenschaften eines Farbstoffes bestimmen den Farbton. In dieser Vorgehensweise bestimmt die Materie den Charakter des Farbtons. Sowohl die Eigenschaften des Farbtones wie Sättigung und Helligkeit sind in ihre Entwicklung beschränkt, was auch für den Farbton selbst gilt. (2)
D i e . F l ä c h e
Unter Fläche in der Malerei versteht man einen Gemäldeträger. Für das Anbringen von Farben auf einer Fläche sind zwei wesentliche Eigenschaften der Fläche von Bedeutung: Flächenformat und Oberfläche.
Das Flächenformat ist ein Maß für die Größe einer Fläche. Die Größe einer Fläche wird durch eine oder mehrere Kanten bestimmt. Umfasst die Fläche mehr als eine Kante, so entstehen ein oder mehrere Ecken. Das Maß einer Fläche, ihre Kanten und Ecken sind die ursprünglichen Konstanten der Malerei. Die Gesetzmässigkeit dieser Konstanten beeinflusst die Größe des Werkzeuges, seine Form und das Tempo mit dem die Farbe aufgetragen wird.
Dagegen werden der Grundstoff des Werkzeugs und der Farbe durch die Materie der Oberfläche geprägt. Die Materie der Oberfläche zeigt sich entweder durch ihre Eigenschaften oder durch eine Beschichtung, die ihre eigenen Qualitäten besitzt und den ursprünglichen Grundstoff der Fläche verändert.
D i e . B e w e g u n g
u n d
d i e . Z e i t
Um die Farbe auf die Fläche zu bringen verändert der Maler seinen Ort mit der Zeit, so entsteht Bewegung.
Beim Malen sind zwei verschiedene Bewegungen zu unterscheiden: die Bewegung im Raum und die Bewegung auf der Oberfläche des Gemäldes.
Ein Beispiel für ein Gemälde mit beiden Bewegungen wäre die Oberfläche einer Pfütze (3), auf die im Frühling Blütenstaub fällt, der sich auf der Wasseroberfläche bewegt.
Es ist nicht möglich während des Malens eine von den beiden Arten der Bewegung auszuschliessen, man kann sich aber auf eine der beiden konzentrieren. Wie Caspar David Friedrich in seinen Werken (4) die Bewegung auf der Oberfläche zum Schwerpunkt macht, so bevorzugt Jackson Pollock dagegen in seinen Drip Paintings (5) die Bewegung im Raum.
Mit der Bewegung ist im Akt des Malens Zeit gesetzt. Dabei ist es nicht nur interessant wie viel Zeit ein Maler für ein Werk braucht, sondern auch wie viele verschiedene Zeitzonen durch das Anbringen von Farben auf einer Fläche entstanden sind. Mit Zeitzonen meine ich die Teile eines Gemäldes, für die der Maler zu unterschiedlichen Zeitabschnitten unterschiedlichen Zeitaufwand betrieben hat.
Beim Betrachten vom Rembrandts Der auferstandene Christus (6) erkennt man, dass der Maler sich bemühte, die Farbe in den dunklen Zonen sehr dünn und in einem Zug aufzutragen, in den hellen Zonen dagegen den Farbauftrag pastös zu gestalten und in mehreren Schichten übereinander zu legen. Solche Synthesis verschiedener Zeitzonen auf einer Fläche schafft Kontraste, die für visuelle Spannung sorgen.

D i e . M a t e r i e
Materie ist eine Bezeichnung für die Substanz, aus der alle Dinge der Welt unabhängig von ihrer Erscheinungsform bestehen. Zu unterscheiden sind die Materie eines Gemäldes – die Materie der Oberfläche und die Materie der Umgebung – die Materie des Farbstoffes und des Werkzeugs, mit dem die Farbe auf die Fläche angebracht wird.
Die Materie der Umgebung lässt sich unverändert auf die Oberfläche des Gemäldeträgers anbringen, so wie Andrej Rublew in seiner Dreifaltigkeitsikone (7) das Blattgold, die Eitempera und den Lack verwendet hat.
Durch die Verfahrensweise des Malers verweist das Gemälde von Rublew auf die Umgebung, aber eine solche Referenz kann auch vermieden werden. Die Materie des Farbstoffes und die Materie der Oberfläche können durch den Zugriff des Malers mit seinem Werkzeug Materie eines Gemäldes bilden.
Beim Betrachten der Komposition C (no.III), with Red, Yellow and Blue, 1935 vom Piet Mondrian in der TATE Modern (8), stellte ich fest, dass die grundierte Leinwand, die Ölfarbe und Spuren des Pinsels auf der Oberfläche kaum zu erkennen waren. Die Oberfläche des Gemäldes besitzt ihre eigene Materie.
D e r . M a l e r
Während des Malens bestimmt der Maler den Umgang mit der Farbe, der Fläche und der Bewegung, mit der Zeit, dem Raum und mit Licht und Materie. Das Gemälde weist immer auf den Maler und die von ihm mitgeteilte Bedeutung zurück.
Oleksiy Koval
München, Mai 2015
Besonderen Dank an Prof. Bernhard Lypp für die Unterstützung bei der Realisierung dieses Textes